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Plötzlich im Callcenter

Die eine war Religionslehrerin. Die anderen beiden arbeiteten im Handel. Drei Umsteigerinnen erzählen, warum sie heute lieber im Callcenter telefonieren.

Der Umstieg ins Callcenter biete viele Vorteile, berichten Mitarbeiterinnen. Durch das Telefonieren können sie Menschen helfen und erfahren dadurch Wertschätzung.
Der Umstieg ins Callcenter biete viele Vorteile, berichten Mitarbeiterinnen. Durch das Telefonieren können sie Menschen helfen und erfahren dadurch Wertschätzung.

"Was, du als Akademikerin arbeitest im Callcenter?" Sätze wie diese hört Carina Berger oft. Drei Jahre lang war sie Volksschullehrerin für evangelische Religion. Seit einem Jahr telefoniert sie für global office, einen Salzburger Dienstleister, der Firmen aller Branchen im Kundendialog unterstützt. Besonders Freunde und Familie konnten ihre Entscheidung anfangs nicht verstehen.

Bild: SN/privat
„Dieser berufliche Richtungswechsel war in klares Ja zu mir selbst.
Carina Berger, ehemalige Lehrerin

Das Arbeiten im Callcenter sei mit vielen Vorurteilen behaftet: "Die meisten Menschen stellen sich vor, dass ich im Akkord telefoniere und Leuten irgendwelche Produkte aufschwatze", so die 29-jährige Flachgauerin, die jetzt in der Stadt lebt. Doch hier sei es ganz anders. Allein schon weil Berger, wie viele ihrer Kollegen und Kolleginnen, im Homeoffice arbeiten kann. Zudem verkaufe sie nichts, sondern beantworte Fragen, die Anrufern unter den Nägeln brennen, etwa zu den aktuellen geltenden Covidbestimmungen: "Ich gebe den Menschen die richtigen Informationen und damit Orientierung. Sie können für sich selbst dann bessere Entscheidungen treffen", erzählt Berger.

Im Kern ähnle das ihrer früheren Arbeit sehr, allerdings seien die Rahmenbedingungen jetzt viel besser: "Ich bin gerne in Kontakt mit Menschen, kann mich gut hineinfühlen und bin immer bemüht, Lösungen zu finden. Früher als Religionspädagogin bin ich da schnell an meine Grenzen gestoßen, weil ich nicht wirklich weiterhelfen konnte - das hat mich sehr belastet. Ich habe auch nicht die Wertschätzung erfahren, die ich gebraucht hätte." Jetzt sei das anders, weil sie in wenigen Minuten während eines Gesprächs merke, dass sie im Leben ihres Gegenübers etwas bewegen könne: "Wenn ich zum Beispiel im Namen eines Hotels abhebe und für den Anrufer einen Tisch im Restaurant reserviere, dann stelle ich mir vor, wie die Leute dort abends mit ihren Lieben eine gute Zeit verbringen. Den Gedanken finde ich einfach schön." Die Menschen seien sehr dankbar, das gebe zusätzliche Energie. Früher fuhr Berger für nur eine wöchentliche Religionsstunde pro Klasse zwischen zehn oder manchmal auch zwölf Schulen im ganzen Bundesland hin und her. Das habe eher viel Kraft gekostet. Irgendwann hat sich der Stress körperlich bemerkbar gemacht, sie wurde krank. Bis sich die Junglehrerin eingestand, dass das nicht der richtige Weg für sie sei, dauerte es aber noch ein halbes Jahr.

Ja zu sich selbst sagen

Heute arbeite sie 20 Stunden pro Woche und das von zu Hause aus. Die Arbeitszeiten seien nicht immer gleich, in den Dienstplänen gebe es viel Spielraum. Diese Flexibilität schätzt Berger sehr, immerhin ist sie Stiefmutter von vier Kindern und will nebenher auch noch ihr Studium weiterführen. Ob sie später wieder als Lehrerin arbeiten wird? "Wer weiß, im Moment bin ich sehr zufrieden. Hier kann ich meine Stärken beruflich leben, ohne mich dabei komplett zu verausgaben. Letztlich war dieser berufliche Richtungswechsel ein klares Ja zu mir selbst."

Vereinbarkeit ohne Leistungsdruck

Dass es bei global office anders zugeht, als man es sich in Callcentern vorstellt, kann Melanie Thapa aus eigener Erfahrung bestätigen. Für die 33-Jährige ist das nicht der erste Job am Telefon. Früher hat sie zum Beispiel für ein Inkassobüro offene Schulden am Telefon eingefordert.

Bild: SN/www.neumayr.cc
„Mein Job lässt sich auch gut mit meiner Familie vereinbaren.
Melanie Thapa, gelernte Verkäuferin

Heute habe ihre Arbeit auch zwischenmenschlichen Wert. "Wenn ein Paket im Zoll hängen bleibt, weil irgendeine Information fehlt, dann kann ich durch einen Anruf dafür sorgen, dass der Empfänger zu seiner Ware kommt. So etwas freut mich dann sehr." Thapa ist Mutter einer dreijährigen Tochter und arbeitet 20 Wochenstunden. Anders als ihre Kollegin geht sie sehr gerne ins Büro. Obwohl sie ursprünglich aus dem Einzelhandel kommt, freut sich Thapa, dass sie am Telefon nichts verkaufen muss: "Der Ton im Handel war schon ziemlich rau. Jetzt helfe ich Leuten einfach weiter und habe das Gefühl, dass ich etwas Sinnvolles mache, ganz ohne Leistungsdruck. Mein Job lässt sich auch gut mit meiner Familie vereinbaren."

Ein Unfall veränderte alles

Gelernte Verkäuferin ist auch Claudia Zechmeister. Eigentlich wollte sie Pflegehelferin werden. Durch schwierige familiäre Verhältnisse fehlte ihr für die Ausbildung zur Pflegehelferin die nötige Unterstützung. Also schloss sie eine Lehre in einer Bäckerei ab. Nach verschiedenen beruflichen Stationen kam es dann zu einem Arbeitsunfall, der alles veränderte: "Ich war im Kühlhaus, hatte es sehr eilig und mir zu viele Kartons aufgeladen. Ich bin gestürzt und auf meine rechte Hand gefallen. Die Hand war geschwollen, ich habe mir nicht viel dabei gedacht. Schließlich bin ich monatelang ausgefallen. Am Ende wurde auch noch Morbus Sudeck diagnostiziert." Diese Nervenkrankheit sei sehr komplex und erfordere viele Schmerztherapien. Mit einer rechten Hand, die Zechmeister nicht mehr richtig einsetzen kann, musste eine berufliche Neuorientierung her.

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Meine Arbeit macht Freude und ich erfahre viel Wertschätzung.
Claudia Zechmeister, gelernte Verkäuferin

Der Umstieg ins Callcenter war für die Salzburgerin ein Glücksfall: "Ich habe dort alles schrittweise gelernt und bin in meinem Tempo in die Aufgaben hineingewachsen." Nicht nur beruflich war dieser Schritt für sie richtig. Eine Freundschaft mit einer Kollegin wurde sehr eng: "Wenn ich krank bin, dann kann ich es eigentlich kaum erwarten gesund zu werden und zurück ins Büro zu kommen", lacht die 37-Jährige.